Düsseldorf – Insolvenzverwalter warnen vor den Folgen des Regierungsentwurfs
- Systematischer Bruch mit der bewährten Insolvenzordnung
- Rechtspolitischer Rückfall ins 19. Jahrhundert
- Gefährdung des Rechtsfriedens im Insolvenzfall
Im Rahmen der heutigen Medienkonferenz kritisierten Sven-Holger Undritz, Christoph Schulte-Kaubrügger und Biner Bähr die Pläne der Bundesregierung, das Insolvenzanfechtungsrecht in der geplanten Form einzuschränken, und warnten vor schwerwiegenden Konsequenzen. Den vorliegenden Regierungsentwurf des „Gesetzes zur Verbesserung der Rechtssicherheit bei Anfechtungen nach der Insolvenzordnung und dem Anfechtungsgesetz“ bewerteten sie als rechtspolitischen Rückschritt und juristischen Systembruch, der von Praxis und Wissenschaft einhellig abgelehnt werde. An den Gesetzgeber erging die nachdrückliche Aufforderung, den vorliegenden Entwurf so nicht zu akzeptieren.
„Im Kern des Gesetzgebungsvorhabens geht es darum, das Anfechtungsrecht zu Lasten aller Gläubiger – außer dem Staat und den Sozialversicherungsträgern – einzuschränken,“ erklärt Biner Bähr, Insolvenzverwalter von Großverfahren wie Hertie, TelDaFax oder Whitsell Germany. Die Folge wäre, dass sich öffentliche Gläubiger fortan bis zum Zusammenbruch eines Unternehmens sehr effizient und ohne größeres Anfechtungsrisiko zu Lasten aller privaten Gläubiger und auf Kosten der Sanierungschancen bedienen könnten, erläutert Biner Bähr weiter.
Fiskalische Exzesse ohne Korrekturmöglichkeit
„Mit dem Regierungsentwurf soll eine Gesetzesinitiative aus dem Jahr 2005 wiederbelebt werden, die schon seinerzeit im Deutschen Bundestag durchgefallen ist“, erläutert Christoph Schulte-Kaubrügger, der bis heute mehr als 2.000 Insolvenzverfahren, darunter das von Flexstrom, verantwortet hat. In der Praxis würden Zwangsvollstreckungen ganz überwiegend vom Fiskus und den Sozialversicherungsträgern vorgenommen, weil diese sich ohne großen Aufwand Vollstreckungstitel beschaffen könnten und damit anderen Gläubigern zuvorkämen. Heute könnten Sondervorteile dieser Gläubiger zugunsten der Gesamtgläubiger korrigiert werden. Künftig jedoch wären diese gesetzlich geschützt, ergänzt Christoph Schulte-Kaubrügger.
Gefährdeter Rechtsfriede
„Fällt dieses Recht, gehen private Gläubiger schnell einmal leer aus – mit dem Risiko, selbst zu einem Sanierungsfall zu werden –, und das Interesse an einer Sanierung angeschlagener Unternehmen lässt deutlich nach,“ ergänzt Sven-Holger Undritz, der unter vielen anderen für Großverfahren wie den Möbelhersteller Schieder und das Solarunternehmen Conergy bestellt wurde. Eine weitere Folge wäre, dass insbesondere bei kleinen und mittleren Betrieben die Eröffnung eines Insolvenzverfahrens vielfach nicht mehr möglich wäre, was den Rechtsfrieden stark beeinträchtigen würde, führt Sven-Holger Undritz weiter aus.
Verkürzte Anfechtungsfristen, verbesserter Arbeitnehmerschutz und neue Zinsberechnung positiv
Der berechtigten Sorge der Wirtschaft vor einem Ausufern der „Vorsatzanfechtung“ wird vor allem mit der Verkürzung der Anfechtungsfrist von 10 auf 4 Jahre begegnet. Sinnvoll sind auch der verbesserte Schutz der Arbeitnehmer vor Rückforderungen sowie die neue Regelung der Zinsberechnung. Dies bedeutet für alle Beteiligten einen wesentlichen Fortschritt und ein deutliches Plus an Rechtssicherheit. Allerdings dürfen diese Fortschritte nicht mit der fundamentalen Verschlechterung des Insolvenzrechts erkauft werden, wie sie der vorliegende Regierungsentwurf vorsieht.
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